Günter Brus

1938 * in Ardning / Stmk
10.2.2024+ in Graz

1954–1958 Kunstgewerbeschule Graz

1958–1960 Akademie für angewandte Kunst Wien – Austritt ohne Abschluss

1958–1964 Informelle zeichnerische und malerische Arbeiten, Bekanntschaft mit Alfons Schilling, Otto Mühl, Adolf Frohner, Hermann Nitsch, Rudolf Schwarzkogler, Kurt Kren. 1961 lernt Brus seine spätere Frau Anna kennen.

1964 Erste Aktion„Ana“, Wien, erstmaliger Einsatz des Körpers als künstlerisches Medium; Übergang vom Informel zur „Selbstbemalung“

1965 Weitere Aktionen, u. a. „Selbstverstümmelung“, Wien, und „Wiener Spaziergang“

1966 Teilnahme am „Destruction in Art Symposium“, London, auf Einladung von Gustav Metzger; Radikalisierung der Aktionskunst, erste Anfertigung von Aktionspartituren

1967 „Aktion mit Diana“, Wien

1968 Aktion „Der helle Wahnsinn“, Aachen; Aktion „Kunst und Revolution“ mit Otto Mühl, Oswald Wiener, Peter Weibel, Franz Kaltenbäck in der Wiener Universität, Verurteilung zu 6 Monaten Haftstrafe

1969 Flucht nach Berlin

1970 Letzte Aktion: „Zerreissprobe“, München

1970–1975 Rückkehr zur Zeichnung, Herausgabe des „Organs der österreichischen Exilregierung“, der „Schastrommel“ bzw. späterer „Drossel“ (bis 1977; gemeinsam mit Otmar Bauer, Oswald Wiener, Hermann Nitsch, Gerhard Rühm); Zusammenspiel von Text und Bild, Entstehung u. a. von „Irrwisch“, „Der Balkon Europas“, „Die Zernunft“, „Das Namenlos“; musikalischer Gemeinschaftsauftritt „Selten gehörte Musik“ mit Oswald Wiener, Gerhard Rühm, Dieter Roth, Hermann Nitsch im Münchner Lenbachhaus

1976 Umwandlung der Haft- in eine Geldstrafe nach Audienz von Anna Brus bei Bundespräsident Kirchschläger

Seit 1976 Veröffentlichung lyrischer Arbeiten im Verlag „Das Hohe Gebrechen“ von Arnulf Meifert; Entstehung zahlreicher Bild-Text-Zyklen, die fortan von Günter Brus als „Bild-Dichtungen“ als eigene Gattung bezeichnet werden, u. a. „William Blake – Poetische Skizzen“, „Franz Schreker – Die Gezeichneten“; Wanderausstellung „Günter Brus – Bild-Dichtungen“ in Hamburger Kunsthalle, Kunstmuseum Luzern und Kulturhaus der Stadt Graz im Rahmen des „steirischen herbstes“; Roman „Die Geheimnisträger“ erscheint; Entwurf von Bühnenbildern und Kostümen, u. a. für „Erinnerungen an die Menschheit“ von Gerhard Roth (steirischer herbst 1985)

2008 Grundsteinlegung des „BRUSEUMS“, eines Museums für Günter Brus im Landesmuseum Joanneum

2009 Ankauf des literarischen Vorlasses durch das Land Steiermark

Beeindruckt vom deutschen Expressionismus der Jahrhundertwende, von Edvard Munch und Vincent van Gogh, dann auch vom abstrakten Expressionismus und von Künstlern wie z. B. Emilio Vedova, begann er im Herbst 1960 mit einer radikal gestischen, das Bildformat sprengenden Malerei. Brusens Werke aus dieser Zeit sind Versuche aus dem klassischen Tafelbild auszubrechen. Sein späterer Weggefährte Otto Muehl, der ihn damals kennenlernte, erinnert sich: „Die Farbe war beim Aufschlag aufs Bild manchmal wie eine Bombe explodiert. Das war totaler schöpferischer Exzess. […] Das gesamte Zimmer war mit Farbspritzern bedeckt, auf dem Boden lag der eingetrocknete Farbschlamm zentimeterhoch.“ Noch kurz vor seiner ersten großen Ausstellung zusammen mit Schilling musste er im Mai 1961 zum Militär. Nach Ableistung des Militärdienstes geriet er in eine psychische Krise und begann erst Ende 1962 wieder mit der Arbeit. Brusens Streben aus dem Medium ‚Bild‘ auszubrechen wird deutlicher. Im Folgenden entstehen ‚Raumbilder‘, bei denen die formalen Grenzen der Leinwand keine Rolle mehr spielen.
1964 führte Brus seine erste Performance, Arbeitstitel Ana, durch. Von Beginn an war es für ihn wesentlich, den eigenen Körper ins Zentrum der Aktion zu stellen, und bei der dreiteiligen zweiten Aktion, Handbemalung. Kopfbemalung. Kopfzumalung, einem sich über mehrere Stunden hinziehenden Selbstbemalungsprozess, war er auch mit dem Ablauf zufrieden. Er wandte sich von der Malerei ab und führt zahlreiche Aktionen (Selbstbemalung II, Selbstverstümmelung, Starrkrampf, Transfusion, Tortur) durch. All diese „Aktionen“ sind als Weiterentwicklung der informellen Malerei zu sehen und das Bemalen und Hantieren mit Farben spielen weiterhin eine zentrale Rolle.
1966 entwarfen Brus und Muehl die Idee der Totalaktion als Verbindung der Materialaktion Muehls und der Brus’schen Selbstverstümmelungen. Eine erste Probe wurde beim Destruction in Art Symposium in London gegeben.
1967 setzte er sich in der Arbeit Osmose, Pullover, Einatmen – Ausatmen körpersprachlich mit dem Thema Geburt auseinander und integrierte in seine 23. Aktion seine kleine Tochter Diana. Die Arbeiten von Brus gingen weiter in Richtung totaler Körperanalyse: Er urinierte und defäkierte während der Aktionen, ritzte sich mit Rasierklingen die Haut und masturbierte. Spätestens bei der Aktion Der Staatsbürger Brus betrachtet seinen Körper (1968) wird deutlich, dass die Aktionen auch als Staatskritik gedacht sind. Im selben Jahr kommt es zum Eklat durch eine in die Kunstgeschichte eingehende Veranstaltung, die von den Medien als „Uni-Ferkelei“ tituliert wurde und in deren Folge er gerichtlich verfolgt und verurteilt worden ist und schließlich ins Exil ging.[4] Seine letzte Aktion (Juni 1970), mit der er noch einmal bis an alle körperlichen Grenzen zu gehen versuchte, hieß sinnigerweise Zerreißprobe.
Günter Brus war Teilnehmer der Documenta 5 in Kassel im Jahr 1972 in der Abteilung Individuelle Mythologien und auf der Documenta 6 (1977) und der Documenta 7 im Jahr 1982 als Künstler vertreten.
Brus hatte schon sein gesamtes aktionistisches Werk mit Zeichnungen und Malereien begleitet. Ab 1970 begann er mit dem Roman Irrwisch, der durch zahlreiche Zeichnungen untermauert war und entwickelte daraus neue Möglichkeiten einer Kombination von Literatur und bildender Kunst. Es entstanden Arbeiten, die er Bild-Dichtungen nennt und die einen neuen Abschnitt in Brusens Schaffen eröffnen, deren Frucht das reiche zeichnerische und literarische Werk der 70er und 80er Jahre ist. Für sein Lebenswerk erhielt er 1996 den Großen Österreichischen Staatspreis für Bildende Kunst.
Seit Sommer 2005 ist Brus Kolumnist und Zeichner beim österreichischen Monatsmagazin Datum. Er lebt und arbeitet in Graz und auf den Kanarischen Inseln.
Mit einem Sammlungsankauf für die Neue Galerie Graz legte der damalige Kulturreferent der Steiermark, Kurt Flecker, 2008 den Grundstein für ein eigenes Brus-Museum. Das „BRUSEUM“, das am 26. November 2011 am neuen Standort der Neuen Galerie Graz im Joanneumsviertel eröffnete, ist als permanent öffentlichkeitswirksame Ausstellungsstätte konzipiert. Es widmet sich der Bewahrung zentraler Werke des Künstlers sowie der wissenschaftlichen Bearbeitung seines Schaffens.
Eine wesentliche Rolle im Schaffen von Brus hatte seine Ehefrau Ana. In einem Zeitungsinterview erzählte sie 2018, dass sie bei der Aktion "Hochzeit" von Rudolf Schwarzkogler mitgemacht habe, weil Schwarzkoglers Freundin niemals bereit gewesen wäre, ihre Brüste zu zeigen, und Schwarzkogler zu schüchtern war, um eine Frau zu fragen. Außerdem habe sie einmal in einer Apotheke 40 Präservative für eine Aktion von Hermann Nitsch besorgt, weil Nitsch sich nicht getraut habe, sie selbst zu kaufen. Auch die Apothekenverkäuferin habe es damals nicht gewagt, das Produkt beim Namen zu nennen.

Vollmondtraum

1985, Ölkreide, Farbstift auf Papier, 88 x 62,5 cm

Ausstellungsansicht galerie gölles Günter Brus

Die Zerreissprobe

Starrkrampf

1965, Fotos von Ludwig Hoffenreich

Ausstellungen

EINZEL - und GRUPPENAUSSTELLUNGEN (Auswahl)

1986 erste große Retrospektive „Der Überblick“, Museum des 20. Jahrhunderts, Wien, Lenbachhaus München, Kunsthalle Düsseldorf

1988 „Aktionsmalerei – Aktionismus“, Museum Fridericianum in Kassel, Kunstmuseum Winterthur, Museum für angewandte Kunst, Wien

1989 „Der zertrümmerte Spiegel“, Albertina, Wien, Museum Ludwig, Köln

1993 Retrospektive „Sichtgrenze – Limité du visible“, Centre Georges Pompidou, Paris

1996 „Blitzartige Einfälle in vorgegebene Ideen“, Neue Galerie Graz, Moderna Muzej Ljubljana; „Out of Action“, u. a. Museum of Contemporary Art, Los Angeles, Museum für angewandte Kunst, Wien

1999 Retrospektive „Leuchtstoffpoesie“, Kunsthalle Tübingen, Kunsthalle Kiel, Neue Galerie Linz

2003 „Werkumkreisung“, u. a. Albertina, Wien, Neue Galerie Graz

2005 „Günter Brus – Nervous stillness on the horizon“, MACBA Barcelona

2006 „A Günter Brus Retrospective“, Slought Foundation, Philadelphia

2007 „Günter Brus – Aurore de minuit“, Musée d'art moderne de Saint Etienne Metropole

2008 „Günter Brus – Mitternachtsröte“, Museum für angewandte Kunst, Wien; „Günter Brus“, Groeningemuseum Brügge; „Ein Fest für Brus“, bestehend aus der Ausstellung „BRUS's + BLAKE's Jobs“ und Symposion, Neue Galerie Graz

2009 „Günter Brus: Die große Dichtkunstmaschine“, Galerie kunsthaus muerz; Konfluenzen & Differenzen I. Günter Brus und Max Klinger, Neue Galerie Graz; „Konfluenzen & Differenzen II. Günter Brus und Alfred Kubin“, Neue Galerie Graz

2010 „Günter Brus – Crossing the border“, BRUSEUM/Neue Galerie Graz und Janus Pannonius Múzeum Pécs

2010 GÜNTER BRUS Galerie Gölles, Fürstenfeld

2012 Günter Brus | Enrique Fuentes, „Einheit der Zwietracht“

2016 Martin-Gropius-Bau, Berlin, Günter Brus. Störungszonen.

2018 Österreichische Galerie Belvedere, Günter Brus. Unruhe nach dem Sturm